Jörg Schiekes Gedichte ziehen wie filmische Plots vorbei, in denen sich verblüffende Welten auftun, so alltagsnah wie surreal. Der Autor versteht sich aufs Groteske und Geheimnisvolle, spielt raffiniert mit Rückblicken in ostdeutsche Stimmungslagen. Mit feinen Verschiebungen adaptiert er Trends und lässt Lebens- und Arbeitssphären in einem sprachlich fulminanten Facettenreichtum aufgehen. Es gibt defekte Gäste-WLANs, Pizzakartons, mit denen man Frisbee spielt, und den berühmten Fahrradbär im Zirkus. Wer aber ist Silverman? Nicht fassbar, schillernd, silbrig und doch abgründig, er lacht, er kann uns das Passwort entziehen und besucht am Abend ein Kulturprogramm. Er ist das schönste Geschöpf seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Jörg Schieke bietet mit seinem Gedichtband eine feinsinnige Collage – oder lyrische Parodie? – unserer unheilen Welt. (aus der Verlagsvorschau; Buch erscheint im Januar 2024)
aus dem Buch:
S., nicht zu verwechseln mit B.,
pflückt von den Mänteln die Knöpfe ab. Naschen
und Zoomen adé. Alles
rein in die Schachtel, das Schöne
als Dauerzustand. Geschmeidig
wäre rassistisch, beweglich
im Wortsinn zu schwach. So oft
eine Unbekannte auch X hieß, nie
kam sie wieder. Nie kam eine zurück
– zurück auf das Fensterbrett, an den Start,
zu den vor Durst toten Fliegen,
den aus Furcht kleinen Leibern. Naschen
und Zoomen war gestern. Von den Mänteln
die Schnallen und Knöpfe ab. Aus dem Halbschuh
das Bändsel im Zickzack. Nie stand der Mond
so herb überm Fensterbrett wie in jener Nacht,
da Langeweile umschlug in Nieder-
tracht und Schüchternheit in schlechtes Benehmen.
Silverman (Klappenbroschur)
- Name: Silverman schickt mich
- Autor: Jörg Schieke
- Verlag: poetenladen Verlag
- Seitenanzahl: 88 Seiten
- Sprache: Deutsch
- Größe: 14.6 x 1.4 x 20.6 cm
- Erscheinungsjahr: 2024
- Preis: 19,80 €
- ISBN: 978-3-948305-22-2
Offenbar haben Jörg Schiekes Verse selbst eine Line gezogen. Man kennt die Welt, kennt die Orte und Namen, aber alles scheint etwas verrutscht, auf eine andere Ebene gezogen, kurz: Alles erscheint interessanter und lustiger, als es die DDR und Cindy und Bert jemals waren (na gut, ihre Coverversion von Black Sabbaths „Paranoid“ ausgenommen). Nicht nur tanzen einem die Buchstaben auf der Nase herum, das Gedicht versetzt dem Leser selbst einen kleinen Schups: „Auf geht’s / nach Bolivien, funky, funky; ein langer Marsch.“ ...
Aber wenn man die Zitate so geschickt neu arrangiert, wenn man mit ihnen spielt und derart in Schwingung versetzt, wie Jörg Schieke es tut, hochmusikalisch und überaus gewitzt, dann tanzen selbst die Lädies auf dem Klingeldraht und rufen: Auf nach Bolivien, Bolafente!
(Tobias Lehmkuhl, FAZ )
https://www.perlentaucher.de/buch/joerg-schieke/silverman-schickt-mich.html
"Das gekonnte Spiel mit der Aussparung und neugierig machenden Rätseln ist in Jörg Schiekes Gedichtband aus drei Zyklen ein probates Mittel. Der Reiz seiner Gedichte besteht darin, sie nicht bis ins Letzte auflösen zu können. Wofür steht in dem Gedicht „Flügeldings“ der Treppenhausfalter, ein ehemaliger Zahlmeister und Stahlarbeiter? Ist er ein Symbol der Erinnerung an die Zeit beim Militär und an eine spezifische Arbeitsbiografie in der DDR?"
Alexandru Bulucz/ Deutschlandfunk, Büchermarkt, 23.02.2024
https://www.deutschlandfunk.de/joerg-schieke-silverman-schickt-mich-gedichte-dlf-339dabd6-
100.htmlhttps://bilder.deutschlandfunk.de/f8/fb/42/04/f8fb4204-2e01-4279-a2b4-8a8fae6afc82/joerg-schieke-silverman-schickt-mich-100.pdf
"Je mehr man davon liest, desto klarer wird, dass es nicht in erster Linie aufs Verstehen ankommt. Das ist ohnehin das älteste Missverständnis gegenüber Lyrik. Faszinierend die Detailfülle, urkomisch ihre Mixtur. Dass diese Texte mit den „Freuden und Schmerzen der Gegenwart notiert sind“, wie schon Erich Kästner einst forderte, ist offensichtlich."
Patrick Wilden/ Dresdner Kulturmagazin