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Jörg Schiekes erster veröffentlichtes Lyrik-Band, erschienen 1995.

 

aus dem Buch:

 

RUHIG BLUT

 

applaus

für die tänzer auf

grünem linoleum dem leisen

 

gastgeber gilt

kein tabu und kein zufall nur

ballast

 

ist dem tänzer

der eigene herzschlag der ist für den mörder

das maß.

 

 

Die Rosen zitieren die Adern (Taschenbuch)

    • Name: Die Rosen zitieren die Adern
    • Autor: Jörg Schieke
    • Verlag: Galrev Druck- u. V.-G.
    • Seitenzahl: 64 Seiten
    • Sprache: Deutsch
    • Größe: 13.1 x 0.7 x 20.9 cm
    • Erscheinungsjahr: 1995
    • Preis: 13,07 €
    • ISBN: 978-3910161627
  • "„Die Rosen zitieren die Adern“ ist der erste Gedichtband des 1965 geborenen Jörg Schieke. Die Veröffentlichung eigener Gedichte, also das öffentliche Sprechen vor einem Publikum, mag letztlich Anstoß für ihn gegeben haben, sich am Literaturinstitut Johannes R. Becher in Leipzig zu bewerben, an dem er in diesem Sommer sein Studium aufnahm. Der Band enthält auf den ersten Blick untypische Äußerungen für die moderne urbane Generation der etwa Dreißigjährigen. Den Gedichten ist eher die Atmosphäre eines pastellenen impressionistischen Stillebens aus dem verflossenen Jahrhundert eigen. „Lautlos“, „du erlaubst doch“, „dürfen“ sind wiederholt vom Autor verwendete Worte, die das Verhaltene anzeigen.Die Gedichte scheinen gängigen Verarbeitungen von Moderne, Großstadt und Chaos entgegenzustehen. Wenn überhaupt, enthalten sie allein das Chaos eines ungestillten, ort- und ziellosen Sehnsuchens. Sie verhalten sich wie ein Oszillograph, der keinen Ausschlag mehr anzeigt, sondern dessen Funktion zur Monotonie eines gleichlautenden Signals geschrumpft ist. Die Aufgabe der Worte besteht darin, diese Stimmung nicht abreißen zu lassen, sie wird in immer neuen Situationen reproduziert.
    Jörg Schiekes Gedichte enthalten keine Träume, obwohl der Leser an manchen Stellen vermuten könnte, daß es sich um solcherart Beschreibungen handelte. „Ich werde in zukunft / meine träume notieren das ist kein spleen das ist der morgen / an dem ich mir / einen namen mache unter den andren / patienten mit ihren geregelten / tagesabläufen…“
    Seine Texte sind im Gegenteil Studien von Gegenständen, Situationen, Begebenheiten aus möglichen Erinnerungen: „wie einst, als wir tanzten, geneigt / waren beinah / miteinander zu tanzen“ – in helle, ineinanderfließende Farben übersetzt. Es sind verlorene, aus dem Gedächtnis reproduzierte Leidenschaften, deren Entstehungsorte im dunkeln liegen oder die in Wahrheit nie existierten, nur in der Vorstellung des sich Erinnernwollenden. „Über wasserdampf gehaltene / sätze mit so wunderbar weichen füßen / aus japan. Und ich konnte nicht anders, vertauschte marlén / mit marléns zigaretten.“ Oder, um einen Titel zu zitieren: „Auf der Reise in die Schwebe“. So entsteht im aneinanderreihen von Splittern, die kein vollständiges Bild mehr ergeben, ein filigranes Netz von Imaginationen. Sie lassen vage das Gefühl des Verlustes ahnen. Doch selbst die Herkunft dieses Verlustes scheint sich im Laufe der Texte zu vergessen.
    Baudelaire, Lacan und Djuna Barnes, vom Autor als maßgeblich für Einflüsse auf sein Schreiben zitiert, finden in seinen Gedichten ein Echo. Die Faszination des Klanges beispielsweise französischer Titel und Namen – la grande malade, passé, René, Lou – verdoppelt (bisweilen vorsätzlich) die Magie der Ferne."

    - Cornelia Jentzsch, 26./27.8.1995

     

    "DIE ROSEN ZITIEREN DIE ADERN nannte Jörg Schieke seinen ersten Gedichtband, und mir scheint, der Autor wäre der letzte, der den Rosen bei dieser Arbeit dazwischen redete. Zurück-Haltung als Schreibhaltung heißt für den, der schreibt, die Dinge des Gedichts zu hüten, heißt, statt ihnen froh & forsch „auf den Grund“ zu gehen, sie zuerst selbst ins Gespräch zu bringen in einem Moment ihrer eigenen Wirklichkeit. Sicher bewirkt diese Achtung vor den Dingen und ihrer uns nur begrenzt zugänglichen Wirklichkeit eine gewisse Scham des Sprechens und Schreibens und gebietet schließlich auch den Abstand, der das Sprechen erst ermöglicht. Bei Jörg Schieke ist diese Distanz zugleich ein Prinzip, das seine Gedichte sprachlich und thematisch bestimmt.Wenn man einmal beginnt, die Gesten und Bewegungen zu verzeichnen, mit denen der Autor die Figuren seiner Gedichte ausstattet, erhält man bald ein umfangreiches Inventar für die Tragikomödie einer verfehlten Begegnung. Noch mehr: In dieser lyrischen Inszenierung, in diesem „spiel für eine weibliche und eine männliche stimme“ ist ein unmittelbares, überraschendes Aufeinandertreffen nicht mehr vorgesehen, im Gegenteil, gerade „weil die frau / ihre erfahrungen hat im umgang / mit einer angefangenen flasche, weil der mann / seine erfahrungen hat im umgang / mit einem angebrochenen abend, weil die frau / nicht weiß, ob der mann / noch einmal zurückkehrt, weil der mann / nicht weiß wovon / ihr augenzwinkern eigentlich handelt…“, weil jeder seine Spielanleitung im Kopf behalten und befolgen muß, kommt es zwischen diesem Mann und dieser Frau immer nur zum Austausch ihrer meist grotesken, konkurrierenden Rituale. Und so wird „bis zum geht nicht mehr“ aus jedem Blickkontakt ein „fernduell“, man spricht nicht viel, fast ist es still – bis auf „ein leises singen wie / vor dem schuß…"

    - Lutz Seiler, Ostragehege, Heft 4, 1996

     

    "Zweifellos ein Buch, das sich nur öffnet,wem Lesen nicht Form der Zerstreuung ist, sondern der Konzentration. Gleiches gilt für das Lyrik-Debüt „Die Rosen zitieren die Adern“ von Jörg Schieke. Wie bei Böhme das Fragen, ohne Antwort zu erwarten, ja ohne sie zu wollen. Das Tasten nach dem, was dem Text zugrunde liegt, in ihm selber aber nicht vorkommt, oder wenn, dann als schweigender Hintergrund – „ich werde in Zukunft / meine träume notieren das ist kein spleen das ist / der morgen / an dem ich mir / einen namen machte unter den andren / patienten mit ihren geregelten Tagesabläufen.“
    Es bleibt die Leerstelle, die jeder gute Text produziert, eine mehrdeutige Schwebe. Tages-Polemik dagegen vereinseitigt, ist so entschieden wie kurzgriffig. Dichtung bleibt Unentschiedenheit, provokante Schwäche, die sich als unausweichlich erfährt und in notwendigen Worten ausspricht.
    Wortarmeen, zur Vernichtung des anderen ausgeschickt, funktionieren wie die Zeitung von gestern, sie sind in Immer-Heute desertiert, feiern beständig die Machbarkeiten, die Sieger. Dichtung aber ist Angelegenheit der Verlierer: „wir warten / nun nicht mehr wir / zögern. Appetit / habe ich keinen, wohl aber / hunger und, wie soll ich sagen, die hausflur- / beleuchtung im rücken, ein hygienischer / schmerz…“
    Des dreißigjährigen Dichters Erstaunen über die Selbstverständlichkeit, mit der jede neue Gegenwart Macht-Ansprüche anmeldet, speisen tiefeingegrabene Erinnerungsspuren: „bis zum schluß verteilt der bote / seine post laut alphabet / und wenn die gespräche kreisen um den stich- / tag der gefühle komm ich denk ich doch zu spät“
    Die Uhren des Dichters also gehen immer noch und beständig anders. Das – als Ärgernis – ist selbstläufigem Alltag zu gönnen."

    - Gunnar Decker, Wochenpost

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